1983 eröffnete mit der «Froueloube» in Bern die zweite Frauenbeiz der Schweiz ihre Tore. Das mit der namensgebenden Laube versehene Haus am Langmauerweg 1 in der Berner Innenstadt war bis in die 1990er Jahre ein wichtiger Treffpunkt der Berner Frauenbewegung.
Im Juni 1979 trafen sich rund 25 Frauen, um die Idee einer Beiz von und für Frauen in Bern zu konkretisieren. Kurz darauf entstand der Verein «Frouebeiz». Von Anfang an war klar, dass der Verein einzig Frauen offenstände und Männer auch im zukünftigen Restaurant keinen Zugang erhalten sollten. Ihren Entscheid begründeten die Initiantinnen mit der bestehenden Diskriminierung von Frauen in der Gesellschaft und alltäglichen Belästigungserfahrungen. Sie hielten fest: «Die Notwendigkeit einer Frauenbeiz wird erst wegfallen, wenn die Umwelt nicht mehr frauenfeindlich ist.» Die geplante Frauenbeiz sollte als geschützter Treffpunkt für Frauen und als Ort des Erfahrungsaustauschs zur Stärkung des Selbstbewusstseins von Frauen dienen. [Q1] Der Austausch mit Aktivistinnen aus der 1978 gegründeten Basler Frauenbeiz «Frauenzimmer» war in der Gründungszeit wichtig, daneben flossen auch Erfahrungen aus anderen Berner Frauenprojekten in die Konzeption der Frauenbeiz ein. Dass die Initiantinnen der «Froueloube» in der lokalen Frauenbewegung gut vernetzt waren, zeigt sich daran, dass sie mit ihren Einladungen zahlreiche bestehende Frauengruppen und Frauenprojekte unterschiedlichster Art adressierten. [Q2] Die Gründung der Berner Frauenbeiz fiel in eine Zeit, in der sich die feministische Bewegung thematisch zunehmend ausdifferenzierte und die Aktivistinnen auf die Umsetzung von feministischen Ideen in konkreten Projekten wie Frauenbuchläden, Frauenhäuser oder anderen thematisch spezifischen Initiativen setzten.
Für die Lokalsuche nahm der Verein im August 1980 Kontakt mit der städtischen Liegenschaftsverwaltung auf. Nach längeren Aushandlungen konnten die Aktivistinnen von der Stadt ein Haus mieten. Die Stadtverwaltung untersagte ihnen aber, das Lokal «Frouebeiz» zu nennen: eine Beiz habe «öffentlich» zu sein, das Konzept der «Frouebeiz» spräche aber bloss «die Hälfte der Öffentlichkeit» an. Diese Argumentation entbehrt nicht einer gewissen Ironie, da die Motivation der Aktivistinnen für eine Beiz von Frauen für Frauen gerade in der geringen Zugänglichkeit für Frauen zu Restaurants als klassische Orte von Männlichkeit und Männerbünden lag. Diese Argumentationsweise wendeten nun die städtischen Behörden umgekehrt an, in dem sie den Aktivistinnen ihrerseits den Ausschluss von Männern vorwarfen. Nach der Namensänderung des Vereins in «Froueloube» schien dieser Konflikt beseitigt. Da die «Froueloube» nur Frauen offenstand, musste sie als Clublokal betrieben werden, was implizierte, dass alle Besucherinnen auch Vereinsmitglieder sein mussten.
Bereits vor der Eröffnung war der Verein «Froueloube», wie viele andere Projekte der Frauenbewegung, in Arbeitsgruppen organisiert. Während des Betriebs der «Froueloube» bestanden eine Beizen-/Servierfrauengruppe sowie eine Öffentlichkeits-, Kultur- und Kindergruppe. Das zentrale Entscheidungsorgan war die Vollversammlung, die mindestens einmal monatlich stattfand. Kurz vor der Eröffnung im August 1983 versuchte der Verein mittels Spendenaufrufe für spezifisches Material oder Brockenstubenbesuche günstig ein Inventar zusammenzustellen, Küchenregale und anderes Mobiliar bauten die Beteiligten selbst. [Q3] Dieser etwas improvisierte Arbeitscharakter war für viele Betriebe aus dem (feministischen) Alternativmilieu bezeichnend. Auch die Kritik an Hierarchien war ein wichtiges Anliegen. Die «Froueloube» war überdies in der Schweizer Selbstverwaltungsbewegung gut vernetzt.
Von Anfang an war klar, dass die Arbeit im Restaurant bezahlt werden müsse. So hielt etwa die Konzeptgruppe 1979 fest, dass die Frauenbeiz «keine karitative Angelegenheit» sei. Im Restaurant arbeiteten während regelmässigen Öffnungszeiten [Q4] zunächst zwei Köchinnen sowie verschiedene «Servierfrauen». Aufgrund des knappen Budgets erklärten sich die «Servierfrauen» bereit, mit Aussicht auf rückwirkende Entlöhnung die ersten drei Monate gratis zu arbeiten, im Anschluss wurde ihre Arbeit regulär bezahlt.
Neben dem Restaurantbetrieb fungierte die «Froueloube» als Austragungsort für politische und kulturelle Veranstaltungen sowie als Sitzungsort für unterschiedliche feministische Gruppen. So übernahm die «Froueloube» bald nach der Eröffnung zunehmend Aufgaben eines Frauenzentrums. Diese Neuausrichtung auf ein Frauenbegegnungszentrum manifestierte sich spätestens 1986 in der Umbenennung der Frauenbeiz in «Spinne». Ein neu gegründeter Verein koordinierte die Veranstaltungen und Angebote; der Restaurantbetrieb wurde von einer eigenständigen Gruppe geführt. Ab 1983 erschien zunächst unter dem Namen «Froueloube» und später unter «Lockenwicklerin» ein regelmässiges Bulletin, das über die aktuellen Tätigkeiten und Veranstaltungen in der Berner Frauenbeiz informierte. Die Bulletins sowie Protokolle und Korrespondenz des Vereins, Flyer und Zeitungsartikel zur «Froueloube»/«Spinne» sind heute im Gosteli-Archiv aufbewahrt. (SP)
Quellen
Literatur
Ammann, Ruth: Politische Identitäten im Wandel. Lesbisch-feministisch bewegte Frauen in Bern 1975 bis 1993, Nordhausen 2009 (Berner Forschungen zur Neuesten Allgemeinen und Schweizer Geschichte 4).