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Neue Organisations- und Mobilisierungsformen

Die «AUF» – eine Interessensvertretung für ledige Frauen in der Schweiz

Im Herbst 1975 wurde in Olten die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft unverheirateter Frauen (AUF) gegründet. Die Gründungspräsidentin, Anny Hamburger (1922–1988), und ihre Mitstreiterinnen setzten sich zum Ziel, die Gesellschaft und politische Entscheidungsträger*innen über die Lage lediger Frauen in der Schweiz zu informieren und so deren soziale und rechtliche Stellung zu verbessern. [Q1] Einen entscheidenden Anstoss für die Gründung der AUF gab der im Vorfeld des Internationalen Jahrs der Frau (1975) publizierte soziologische Bericht «Die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft», verfasst durch die beiden Soziologen Thomas Held und René Levy. Die beiden Autoren klammerten die spezifische Lage alleinstehender, lediger Frauen aus Ressourcengründen explizit aus ihrer Untersuchung aus, was die Gründerinnen der AUF als Zeichen der Geringschätzung der Anliegen lediger Frauen auffassten. [Q2]

Die AUF verstand sich als politisch und konfessionell unabhängige Interessenvertretung, deren Mitglieder allen gesellschaftlichen Schichten angehörten. Seit ihrer Gründung intervenierte die AUF in politische Debatten, wobei sie das Ziel der sozial- und steuerpolitischen Gleichstellung aller Frauen ins Zentrum stellte und die negativen Auswirkungen der stark auf verheiratete Paare und Familien ausgerichteten Sozialpolitik auf alleinstehende Personen kritisch beleuchtete. Zugleich verstand sich die AUF als Netzwerk lediger Frauen, das soziale Kontakte sowie Wissens- und Erfahrungsaustausch unter ihren Mitgliedern ermöglichte. [Q3; Q7]

Kritisch, aber differenziert, äusserte sich die AUF zum 1981 implementierten Gleichstellungsartikel der Bundesverfassung. So mahnte sie an, dass eine Gleichstellungspolitik zivilstandsbedingte Ungleichheiten ebenso berücksichtigen müsste und «zuerst die Rechtsgleichheit verwirklicht werden muss, bevor von den Frauen neue Leistungen erwartet werden dürfen.» [Q1] So befürchteten die Mitglieder der AUF beispielsweise eine Angleichung des Rentenalters für Frauen an das höhere Männerrentenalter oder eine stärkere Steuerbelastung für Ledige durch die Einführung einer Witwer-Rente. Das Augenmerk der AUF lag insbesondere auf der Lage sozio-ökonomisch unterprivilegierter Frauen, die überdurchschnittlich stark von Altersarmut betroffen waren. [Q4; Q5]

Während mehrerer Jahre setzte sich die AUF gegen die 10. AHV-Revision ein: Als Folge der geplanten Erhöhung des Frauenrentenalters von 62 auf 64 Jahre befürchtete sie «starke Einbusse der Lebensqualität» (lediger) erwerbstätiger Frauen, die sozio-ökonomisch ohnehin nicht stark aufgestellt waren. Zudem erwartete die AUF durch die Einführung des Renten-Splittings für Ehepaare, Geschiedene und Verwitwete eine Kostenabwälzung auf alleinstehende Personen über Steuererhöhungen. [Q6] Im Juni 1995 wurde die 10. AHV-Revision mit einer deutlichen Mehrheit vom Schweizer Stimmvolk angenommen.

Neben der Teilhabe an politischen Prozessen lag ein Fokus der AUF auf der Verbesserung des gesellschaftlichen «Images» lediger Frauen. So lehnte etwa die Mehrzahl der AUF-Mitglieder die Bezeichnung «Fräulein» ab, aus der eine mangelnde Sichtbarkeit und Anerkennung lediger Frauen sowie ihre gesellschaftlich marginale Position resultiere [Q1]. Dass sich das gesellschaftliche Bild lediger Frauen gegen Ende des 20. Jahrhunderts wandelte, spiegelt sich im Namen der AUF wider: 1995 erfolgte die Umbenennung in «AUF – Arbeitsgemeinschaft der unabhängigen Frauen», womit dem gesteigerten Selbstbewusstsein lediger Frauen als gesellschaftliche Gruppe Ausdruck verliehen wurde. Die AUF fokussierte immer stärker auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse des «Individuums» und appellierte an die Solidarität aller «Menschen, die aufgrund ihres Zivilstandes benachteiligt sind». Zusehends rückte damit der Fokus auf Frauen in den Hintergrund [Q7]. Um die Jahrtausendwende öffnete sich die AUF auch für Männer; seit 2014 besteht sie unter dem Namen «Pro Single Schweiz – die Interessengemeinschaft der Alleinstehenden» fort.

Seit 1976 unterhielt die AUF ein mehrmals jährlich erscheinendes Bulletin, in dem sie über ihre Aktivitäten und Veranstaltungen informierte, politische Aufklärungsarbeit leistete und ihren Mitgliedern ein Austauschforum bot. Die Bulletins, Protokolle, Jahresberichte, Korrespondenz und weitere Unterlagen der AUF sind im Gosteli-Archiv überliefert. (vb)

Quellen

Q1: AGoF 152-07 Hamburger, Anny, Auch wir sind Frauen, in: Schweizer Frauenblatt 10/1987, S. 18f.

Q2: Held, Thomas, Levy, René, Die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft. Eine soziologische Analyse am Beispiel der Schweiz, Frauenfeld/Stuttgart 1974.

Q3: AGoF 152-02 AUF. Verein Arbeitsgemeinschaft unverheirateter Frauen, Flyer undatiert [ca. 1991].

Q4: AGoF 152-09 Resolution zuhanden von Frau Bundesrätin Elisabeth Kopp, 9. März 1985, unterzeichnet von Anny Hamburger.

Q5: AGoF 152-13 Mann und Frau sind gleichberechtigt, in: AUF-Bulletin 2/1981, S. 1–4

Q6: AGoF 152-09 Eidg. Abstimmung zur 10. AHV-Revision vom 25. Juni 1995. Stellungnahme der AUF Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Frauen, unterzeichnet von Johanna Eggenschwyler, undatiert [ca. 1995].

Q7: AGoF 152-02 Allein leben, aber gemeinsam wirken, Informationsbroschüre undatiert [ca. 1995].